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Wer kann, muß schreiben
Nadine Gordimer auf der Buchmesse in Havanna


Der kubanische Sozialismus ist drauf. Man erkennt es an der Hosenfrage. Glaubte man in der DDR stellenweise nicht im falschen Film, sondern in der falschen Hose zu stecken, sind hier die für Lebenswelt-Ästhetik und Coolness-Philosophie lebenswichtigen Jeans überall zu sehen. Und zwar in Blau. Denn wem klingelt nicht noch die Kampflosung »White jeans? No! Blue Jeans? Yeah!« in den Ohren, die Ulrich Plenzdorf Anfang der 1970er Jahre in seinem Theaterstück »Die neuen Leiden des jungen W.« ausgegeben hatte?

In Kuba jedenfalls werden fast nur Blue Jeans getragen, und die sind auch nicht merkwürdig marmoriert wie in der Spät-DDR, sondern up to date, extrageknittert oder supereng, wie sie auch in einem Berliner Geschäft nicht anders zu haben sind.

Nadine Gordimer auf der Buchmesse in Havanna, 2010 Nadine Gordimer, als 86jährige Literaturnobelträgerin aus Südafrika der prominenteste Gast auf der Buchmesse in Havanna, trug bei ihrem Auftritt am Samstag keine Jeans, sondern einen leichten Hosenanzug mit orangem Umhang, passend zu einem orangen Blumenbouquet links und rechts hinter dem Podium, auf dem sie saß und dem Publikum Fragen über ihr Werk und ihren Stil beantwortete. Außerdem präsentierte sie die kubanische Ausgabe von »Un capricho de la naturaleza« (Eine Laune der Natur), worüber sie aber keine weiteren Worte verlor. Schon immer habe sie eine gute Beziehung zur kubanischen Revolution gehabt, erzählte sie, in den Zeiten von Guantánamo sei diese Beziehung »intensiver« geworden. Guantanamo sei ein einziger Skandal, zumal die USA sich in einem anderen Land ein exterrritoriales Gebiet anmaßten, in dem sie foltern könnten. Allerdings könne sie auch nichts anderes tun, als ununterbrochen dagegen Petitionen zu unterschreiben, wie auch für die Cuban Five oder gegen die Blockade.

Bemerkenswerterweise wurde Gordimers Auftritt auf der Messe von den internationalen Medien komplett ignoriert, nur einige kubanische Zeitungen berichteten. Sie persönlich ist übrigens der Ansicht, daß Barack Obama das Embargo gegen Kuba stoppen wird, was im Publikum zu leichten Irritationen führte. Man müsse dem Mann Zeit geben, sagte Gordimer, er würde sich in einer schwierigen Situation befinden – aber wenn er das Embargo dieses Jahr nicht beende, dann würde sie »sehr, sehr wütend«.

Begeistert zeigte sich die Literatin über die Masse von Minderjährigen, die die Straßen der Festung Cabana fluten, in der die Buchmesse stattfindet. Diese Kinder wollten lesen, meinte sie, in Südafrika dagegen wären die einzigen Bücher, die den Kindern begegneten, ihre Schulbücher. Sie selbst hätte entschieden zuwenig Shakespeare gelesen, meinte sie. Dem wurde im Publikum widersprochen. Eine deutsche Buchhändlerin sagte mir, sie mußte mit den Tränen kämpfen, weil sie diese ebenso zierlich wie sehr prägnant, ja geradezu mit freundlichem Stolz auftretende Schriftstellerin schon immer verehrt habe.

Die Best-of-Lektüre von Nadine Gordimer sieht dann so aus: Jorge Luis Borges, Carlos Fuentes, Aleja Carpentier, Leo Tolstoi, Marcel Proust und Bertolt Brecht. Für Gordimer bildet sich ein Schriftsteller übrigens selber aus – natürlich durch Lesen und der Fähigkeit zur Selbstkritik. Man hat angeborenes Talent, das man dann trainiert, glaubt Gordimer, und wer das nicht hat, der kann das auch nicht an der Schule oder an der Universität lernen.

Und da fragte jemand aus dem Publikum: »Ist es denn die Literatur wert, daß man ihr soviel Zeit opfert?« Ein bißchen geschockt holte Gordimer tief Luft und rief: »Die Literatur ist die Ausbeutung des Lebens in all seinen Aspekten: Politik, Psychologie, Ökonomie etcetera!« Sie selber habe immer nur dann geschrieben, wenn sie fühlte, daß sie muß.

In Südafrika wurden drei ihrer Bücher verboten – »what happens there, shakes me«. Nie habe sie zwischen »weiß«, »schwarz« oder »farbig« unterschieden, die Hautfarbe hätte sie noch nie interessiert. Trotzdem sei sie auf keinen Fall mit den Figuren ihrer Romane zu verwechseln, denn sie schreibe nicht biographisch. Heute habe Südfafrika übrigens die beste Verfassung der Welt, zumindest theoretisch. Schwule und Lesben beispielsweise könnten gegen Diskriminierung klagen.

Mit einem schönen Versprecher beendete Nadine Gordimer ihren Auftritt auf der Buchmesse in Havanna: »I like to read you, äh to meet you«.

junge Welt Christof Meueler
Junge Welt, 17.02.2010








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